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Arbeitnehmerüberlassung oder Arbeitseinsatz aufgrund von Werkvertrag/Dienstvertrag – Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassung zu drittbezogenem Arbeitseinsatz aufgrund Dienst- oder Werkvertrag:

1. Ausgangssituation

In vielen Bereichen arbeiten Arbeitnehmer nicht im Betrieb ihres Arbeitgebers, werden vielmehr in anderen Organisationen/Betrieben beschäftigt. Klassisches Phänomen ist hier das ständig voranschreitende „Outsourcing“, d. h. das Auslagern von Arbeitsbereichen eines Betriebs an dritte Unternehmen. Beispielhaft zu benennen sind hier z. Bsp. Krankentransportdienste in Krankenhäusern, Regaleinräumdienste in Supermärkten etc.

Hier stellt sich stets die Frage, ob die in einem anderen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer dabei noch für „ihren“ Arbeitgeber tätig werden oder ob ein Fall der Arbeitnehmerüberlassung vorliegt.

Die Beantwortung dieser Frage ist von großer Bedeutung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Die Überlassung von Arbeitskräften bedarf der Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit (§ 1 Abs. 1, § 2 AÜG). Ein ohne erforderliche Erlaubnis geschlossener Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ist nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam. Das Gesetz bestimmt, dass in diesen Fällen ein Arbeitsverhältnis zwischen dem überlassenen Arbeitnehmer und dem Entleiher als zustande gekommen gilt.  Die ohne Erlaubnis überlassene Arbeitskraft wird damit gleichsam automatisch Arbeitnehmer des Entleiherunternehmens.

Diese einschneidende Rechtsfolge ist typischerweise weder vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch von dritten Unternehmen gewollt. Insoweit stellt sich bei drittbezogenen Arbeitseinsatz von Mitarbeitern stets die Frage, ob ein Fall der Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG gegeben ist oder ob die Arbeitnehmer lediglich aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages zwischen ihrem Arbeitgeber und einem Dritten im Betrieb des Dritten eingesetzt werden.

2. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einer jüngeren Entscheidung mit dieser Thematik befasst. Es hat eine richtungsweisende Entscheidung verkündet:

Das BAG urteilte, Arbeitnehmerüberlassung im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AÜG liege vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen.

Davon ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages zu unterscheiden. In diesen Fällen werde der Unternehmer/Arbeitgeber des jeweiligen Arbeitnehmers für einen anderen tätig. Tätigkeit im Rahmen eines Werk- oder Dienstvertrags zeichnen sich dadurch aus, dass der Unternehmer/Arbeitgeber die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen organisiert und für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber den Drittunternehmen verantwortlich ist. Diese vor Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen „Erfüllungsgehilfen“. Mit anderen Worten: Arbeitet der in einem Fremdbetrieb eingesetzte Arbeitnehmer unter Anleitung und auf Weisung seines vertraglichen Arbeitgebers, liegt keine Arbeitnehmerüberlassung vor. Ist der Arbeitnehmer allerdings in die Arbeitsablauforganisation eines anderen Arbeitgebers/Betriebs eingebunden, liegt Arbeitnehmerüberlassung nahe!

Das Gericht hat herausgestellt, dass die rechtliche Einordnung des Vertrags jeweils auf der Grundlage der tatsächlichen Gegebenheiten vorzunehmen ist. Es soll aber gerade nicht darauf ankommen, was in den Verträgen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber und beauftragtem Dritten festgelegt wurde (BAG, Urteil vom 18.01.2012, Az. 7 AZR 723/10).

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3. Auswirkungen für Arbeitgeber

Arbeitgeber, die einen Werkvertrag oder einen Dienstvertrag mit einem dritten Unternehmen schließen möchten, um in diesem Rahmen Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb einzusetzen, sollten höchste Vorsicht walten lassen. Besonderes Augenmerk ist auf den Werk- bzw. Dienstvertrag zu legen. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass die Arbeitnehmer in dem fremden Betrieb nicht in einer Weise beschäftigt werden, die den Schluss auf Arbeitnehmerüberlassung nahelegt. Hierzu bedarf es detaillierter Absprachen zur Organisation des Einsatzes von Beschäftigten. Zum Teil werden bauliche Gestaltungen eine Rolle spielen.

Wegen der schwerwiegenden Konsequenzen einer verfehlten Vertragsgestaltung und Einsatzplanung (vertragliche Konsequenzen; Bewertung als Ordnungswidrigkeit mit angedrohter Geldbuße bis zu 500.000,00 EUR) empfiehlt sich hier, rechtzeitig Rat einzuholen.

4. Auswirkungen für Arbeitnehmer

Arbeitnehmer können ihrerseits prüfen, ob ein Fremdeinsatz ihres Arbeitgebers möglicherweise als Arbeitnehmerüberlassung zu betrachten ist. Es wäre zu prüfen, ob ein Arbeitsverhältnis mit dem Drittunternehmen geschlossen worden ist. Dies kann im Einzelfall durchaus von Interesse sein, insbesondere dann, wenn die allgemeinen Arbeitsbedingungen bei diesem Drittunternehmen besser sind als beim Vertragsarbeitgeber.

Im Falle einer tatsächlich anzunehmenden Arbeitnehmerüberlassung haben die von der Überlassung betroffenen Arbeitnehmer einen Anspruch auf Gewährung der Arbeitsbedingungen, die die vergleichbaren Arbeitnehmer im Drittbetrieb haben. Das kann bedeuten, dass auch unter diesem Gesichtspunkt höhere Löhne verlangt werden können.

Zusammengefasst ist Arbeitnehmern zu empfehlen, sich hier frühzeitig arbeitsrechtlich zu informieren. Auch hier beraten wir Sie gern.