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Arbeitnehmervertretungen für Arbeitnehmer im Flugbetrieb – Besonderheiten und gesetzliche Neuregelung
Die Errichtung von Betriebsräten ist grundsätzlich auch für Betriebe von Luftfahrtunternehmen vorgesehen. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) formuliert nämlich in § 1 Abs. 1, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens 5 ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern Betriebsräte gewählt werden, ohne dass auf eine Branchenzugehörigkeit des Betriebs abgestellt wird. Allerdings erkennt der Gesetzgeber an, dass spezifische Eigenarten besonderer Betriebe einer Abweichung von allgemeinen Regelungen des BetrVG erfordern können. Als besondere Betriebe in diesem Sinne begreift das BetrVG zum einen die sogenannten „Seebetriebe“ (§ 116 BetrVG), zum anderen Luftfahrbetriebe. Die Besonderheiten letzterer Betriebe und Arbeitnehmergruppen sollen nachfolgend betrachtet werden.
1. Landbetriebe und fliegendes Personal
§ 117 BetrVG unterscheidet zwischen Landbetrieben von Luftfahrtunternehmen und im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern. Zu den Landbetrieben von Luftfahrtunternehmen zählen u.A. verwaltende und kaufmännische Betriebe, Reparaturwerkstätten, Logistikbetriebe und Reisebüros. Auch die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS), der zum 01.01.1993 von der Bundesanstalt für Flugsicherung die Aufgaben der Flugsicherung übertragen worden sind, enthält ausschließlich Landbetriebe.
Demgegenüber gehören zum „im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern“ die Arbeitnehmer, deren arbeitsvertraglich geschuldete Gesamttätigkeit durch die Beförderung von Personen und Gütern durch Luftfahrzeuge geprägt wird. Das Bundesarbeitsgericht spricht diese Eigenschaft Arbeitnehmern zu, die entweder unmittelbar eine Beförderungstätigkeit ausüben bzw. unmittelbar daran mitwirken, Personen oder Sachen während der Beförderung betreuen oder mit der Beförderung verbundene Dienstleistungen erbringen (BAG, Beschluss vom 14.10.1986, Az. 1 ABR 13/85).
2. Abgrenzung von Arbeitnehmern im Landbetrieb und fliegendem Personal
Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts soll es zur Abgrenzung des Bodenpersonals vom fliegenden Personal nicht entscheidend auf den quantitativen Anteil der unmittelbar in der Luft verbrachten Zeit ankommen. Maßgeblich soll sein, ob die fliegende Tätigkeit der Gesamttätigkeit „das Gepräge“ gibt.
Zum fliegenden Personal zählen die im regulären Flugdienst eingesetzten Piloten sowie Fluggastbetreuer (Steward/Stewardess). Nicht von dieser Gruppe erfasst sind hingegen Flugzeugführer (Piloten), Flugingenieure oder Flugbegleiter, die nur gelegentlich zu Ausbildungs- und Kontrollzwecken fliegen. Auch diejenigen Arbeitnehmer, die selbst nur noch zum Erhalt Ihrer Flugberechtigung/Erlaubnis bzw. zu Übungs- oder Kontrollzwecken fliegen, sollen nicht zum fliegenden Personal, vielmehr zum Personal des Landbetriebs zählen. Selbiges soll auch für Flugbetriebsleiter oder Piloten, die nur oder überwiegend am Flugsimulator ausbilden, Lehrflugingenieure, Ausbildungsleiter usw. gelten.
3. Arbeitnehmervertretung in Landbetrieben
§ 117 Abs. 1 BetrVG stellt deutlich heraus, dass auf Landbetriebe von Luftfahrtunternehmen die Regelungen des BetrVG anzuwenden sind. Mithin werden dort Betriebsräte nach den Regelungen des BetrVG gewählt. Diese Betriebsräte nehmen die Aufgaben im Betrieb nach dem Gesetz war. Unter anderem obliegt solchen Betriebsräten in Landbetrieben die reguläre Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG (z.B. bei Regelungen der Arbeitszeit, des Urlaubsplans, der technischen Überwachung, von Vergütungsgrundsätzen) und bei personellen Angelegenheiten gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG (Einstellung, Versetzung, Ein- und Umgruppierung).
Bei der Feststellung der Zahl der im jeweiligem Landbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer (z.B. im Hinblick auf die Größe des Betriebsrats und die Anzahl etwaig freizustellende Betriebsratsmitglieder, §§ 9, 38 BetrVG) zählen die Arbeitnehmer, die dem fliegenden Personal zuzuordnen sind, nicht mit.
4. Arbeitnehmervertretungen für „fliegendes Personal“
a) alte Fassung von § 117 BetrVG: Errichtung von Arbeitnehmervertretungen nur durch Tarifvertrag
§ 117 Abs. 2 BetrVG in der bis zum 30.04.2019 geltenden Fassung sah vor, dass für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen eine Vertretung durch Tarifvertrag erfolgen kann. Damit sollte den organisatorischen Besonderheiten des Flugbetriebs Rechnung getragen werden.
Der Gesetzgeber hatte erkannt, dass zahlreiche Regelungen des BetrVG im Flugbetrieb nur schwerlich umzusetzen sind. Zu verweisen ist z.B. auf Regelungen der Arbeitszeit von Piloten. Problematisch ist auch die Vollfreistellung von in die Arbeitnehmervertretung gewählten Piloten, die aufgrund einer solchen Freistellung nach § 38 BetrVG womöglich ihre Fluglizenz verlieren.
Schwierigkeiten kann auch die Definition des „Betriebes“ im Flugbetrieb bereiten. Denkbar wäre, insoweit auf die Gesamtheit der Flugzeuge oder aber auf einzelne Einheiten oder gar Flugzeuge selbst abzustellen. Hier sollten die Tarifvertragsparteien berufen sein, sachgerechte Lösungen für die einzelnen Organisationen zu finden.
Dieses Modell der Errichtung von Arbeitnehmervertretungen für fliegendes Personal brachte indes den Nachteil mit sich, dass es in Unternehmen, in denen solche Tarifverträge nicht zustande gekommen sind, eben keine dem Betriebsrat vergleichbare Vertreter von Arbeitnehmern und die Interessen dieser Mitarbeiter wahrende Beteiligungsrechte gab.
Zwar haben eine Vielzahl von Luftfahrtunternehmen besondere Tarifverträge für die Errichtung von Arbeitnehmervertretungen für fliegendes Personal abgeschlossen. Häufig werden die Arbeitnehmervertretungen dort nicht als „Betriebsrat“, vielmehr als „Bordvertretung“ bezeichnet. Einigen Luftfahrtgesellschaften gelang es aber, solche Tarifverträge fernzuhalten.
b) Neufassung von § 117 BetrVG ab 01.05.2019 („Lex Ryanair“)
Schon unter der Geltung von § 117 BetrVG a.F. war umstritten, ob der dortige Verweis der Errichtung von Arbeitnehmervertretungen an die Tarifvertragsparteien der Mitbestimmungs-Richtlinie EU 2002/14 entsprach. Noch ehe das Bundesarbeitsgericht hierüber eine Entscheidung treffen konnte, erfolgte eine weitreichende Änderung von § 117 BetrVG, die zum 01.05.2019 in Kraft getreten ist. Jetzt stellt § 117 Abs. 1 S. 2 BetrVG klar, dass das BetrVG auf die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen anzuwenden ist, wenn keine Vertretung durch Tarifvertrag errichtet ist.
Damit ist sichergestellt, dass Arbeitnehmer, die dem fliegenden Personal zuzurechnen sind, per se eine Arbeitnehmervertretung auf der Grundlage des BetrVG errichten können. Sie sind nicht darauf angewiesen, eine entsprechende Tarifeinigung des Unternehmens mit einer Gewerkschaft abzuwarten.
In Anbetracht dieser gesetzlichen Neuregelung bleibt es aber weiterhin angezeigt, tarifvertragliche Regelungen zur Ausgestaltung der Arbeit der Vertretungen von Flugpersonal zu treffen. Diese Möglichkeit bleibt auch unter der Neufassung von § 117 BetrVG uneingeschränkt erhalten. Solche Tarifverträge werden typischerweise besondere Regelungen zur Mitbestimmung bei der Arbeitszeit treffen, so z.B. für die spezifische Frage der Gestaltung der „Umlaufplanung“ (Planung der einzelnen Flugsegmente zu einem Umlauf des Flugzeugs und der Besatzungsumläufe). Möglich wäre auch eine Regelung, wonach z.B. die Stilllegung eines Flugzeugs schon als mitbestimmungspflichtige Betriebseinschränkung gemäß § 111 BetrVG zu begreifen ist. Hier bestehen eine Vielzahl weiterer Gestaltungsmöglichkeiten.
Fazit:
Die Rechte von im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern sind durch die Neufassung von § 117 BetrVG erheblich gestärkt worden. Dies wird aber keinesfalls dazu führen, dass tarifvertragliche Regelungen zurückgedrängt werden. Im Gegenteil werden solche Regelungen zukünftig eher zunehmen.
In Fragen der Ausgestaltung der Beteiligung von Arbeitnehmervertretungen bei Luftfahrtunternehmen (Betriebsräte, Bordvertretungen) sowie bei der Umsetzung gesetzlicher und tariflicher Vorgaben der Beteiligung von Arbeitnehmervertretern beraten und unterstützen wir Sie gerne.
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