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Beschlussfassung im Betriebsrat – Was haben Betriebsräte und Arbeitgeber zu beachten:

§ 33 Abs. 1 BetrVG bestimmt, dass Beschlüsse des Betriebsrats grundsätzlich mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst werden. Beschlüsse bezwecken eine formalisierte interne Willensbildung im Betriebsrat. Sie spielen insbesondere dann eine Rolle, wenn der Betriebsrat mehrköpfig besetzt ist. Dies ist bei allen Betriebsräten der Fall, die in Betrieben mit mindestens 21 wahlberechtigten Arbeitnehmern gewählt worden sind.

Da dem Betriebsrat weitreichende Entscheidungskompetenzen zugebilligt werden, kommt der Frage einer wirksamen Beschlussfassung wesentliche Bedeutung zu.

1. Beschlussfähigkeit

Der Betriebsrat ist nur dann in der Lage Beschlüsse zu fassen, wenn die sogenannte Beschlussfähigkeit gegeben ist. § 33 Abs. 2 BetrVG nimmt eine Beschlussfähigkeit an, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt. Ausdrücklich wird die Stellvertretung durch Ersatzmitglieder für zulässig erachtet. Dies drückt im Grunde eine Selbstverständlichkeit aus, werden doch verhinderte Betriebsratsmitglieder durch gewählte Ersatzmitglieder vertreten (§ 25 Abs. 1 BetrVG).

Nach allgemeiner Auffassung reicht es für die Annahme der Beschlussfähigkeit des Betriebsrats nicht aus, wenn lediglich mehr als die Hälfte seiner Mitglieder tatsächlich anwesend ist. Darüber hinaus muss auch mindestens die Hälfte der Mitglieder des Organs an der Beschlussfassung teilnehmen!

So können Betriebsratsmitglieder die Beschlussunfähigkeit selbst herbeiführen, indem sie sich (pflichtwidrig) nicht an Abstimmungen/Beschlussfassungen beteiligen, diese vielmehr sabotieren. Allerdings gilt, dass ein derartiges Verhalten vom Betriebsverfassungsgesetz nicht gewollt ist. Soweit die sich hier ergebene Pflichtverletzung als „grob“ zu betrachten ist, kommt die Geltendmachung von Rechten nach § 23 BetrVG bis hin zum Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat in Betracht.

2. Ordnungsgemäße Sitzung

Beschlüsse des Betriebsrats können wirksam nur in ordnungsgemäß anberaumten Sitzungen gefasst werden. Hingegen scheiden Beschlussfassungen bei sonstigen Zusammenkünften grundsätzlich aus.

Die Beschlussfassung setzt eine ordnungsgemäße Ladung der einzelnen Mitglieder des Betriebsrats voraus. Hierbei sind sämtliche Mitglieder bzw. die Ersatzmitglieder in der „richtigen“ Reihenfolge zu laden. Werden nicht sämtliche Betriebsratsmitglieder zur Sitzung geladen, sollen die in ihr gefassten Beschlüsse nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts unwirksam sein (BAG, Beschluss vom 18.01.2006, Az.: 7 ABR 25/05).

3. Festlegung des Beschlussgegenstands

Die Wirksamkeit eines Beschlusses des Betriebsrats setzt nicht zwingend voraus, dass den Betriebsratsmitgliedern zuvor der Gegenstand der Beschlussfassung in der Tagesordnung mitgeteilt worden ist. Grundsätzlich ist es nämlich möglich, dass der Betriebsrat auch noch in der anberaumten Sitzung entscheidet, über bisher nicht mitgeteilte Fragen beschließen zu wollen.

Hier stellt sich allerdings die Frage, ob eine „Spontanentscheidung“ über die Erweiterung der Beschlussgegenstände einstimmig getroffen werden muss oder ob eine Mehrheitsentscheidung im Betriebsrat ausreicht. Teile der arbeitsrechtlichen Literatur sehen es als mit den Abläufen im Betriebsrat nicht vereinbar an, Einstimmigkeit zu fordern. Das Bundesarbeitsgericht verlangte bisher zwingend, dass der vollzählig versammelte Betriebsrat einstimmig mit einer Ergänzung der Tagesordnung/Anberaumung eines Beschlussgegenstandes einverstanden ist (BAG, Beschluss vom 10.10.2007, Az.: 7 ABR 51/06).

Diese restriktive und die Betriebsratsarbeit erschwerende Auffassung hat das BAG in einer jüngeren Entscheidung aufgegeben. Nach seiner Auffassung ist es nun nicht mehr erforderlich, dass ein Beschluss zu einem nicht in der Tagesordnung aufgeführten Punkt auch bei einstimmiger Beschlussfassung nur wirksam gefasst werden könne, wenn sämtliche Betriebsratsmitglieder anwesend sind. Es soll vielmehr ausreichen, dass der Betriebsrat bei einer solchen „Spontanentscheidung“ beschlussfähig im Sinne von § 33 Abs. 2 BetrVG ist (BAG, Beschluss vom 20.01.2014, 7 AS 6/13). Der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat diese Auffassung ebenfalls bestätigt (BAG, Beschluss vom 15.04.2014, Az. 1 ABR 2/13).

4. Genehmigung unwirksamer Beschlüsse

Sobald der Betriebsrat einen unwirksamen Beschluss gefasst hat, kommt eine „Legalisierung“ durch Genehmigung in Betracht. Das Bundesarbeitsgericht führt in ständiger Rechtsprechung aus, dass nur ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss Legitimation für die Handlungen und Erklärungen des Betriebsrats und der für ihn tätigen Personen ist, soweit nicht durch besondere gesetzliche Regelungen dem Betriebsratsvorsitzenden oder seinem Stellvertreter eine Alleinzuständigkeit zugewiesen ist. Ein unwirksamer Betriebsratsbeschluss entfaltet keine Rechtswirkungen. Der Betriebsrat kann aber erneut über die Angelegenheit beschließen und dabei grundsätzlich in der Vergangenheit auf der Grundlage eines unwirksamen Beschlusses vorgenommene Handlungen/Erklärungen genehmigen (BAG, Beschluss vom 10.10.2007, Az.: 7 ABR 51/06).

5. Praxishinweis

Für Betriebsräte gilt, dass diese die jeweiligen Sitzungen sorgfältig vorbereiten müssen. Es empfiehlt sich dringend, die Tagesordnung weit zu fassen und in Schriftform rechtzeitig an die jeweiligen Betriebsratsmitglieder/Ersatzmitglieder zu übersenden.

Die jeweiligen Beschlüsse sollen dokumentiert werden, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Protokollierung keine Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Beschluss ist.

Für Arbeitgeber oder sonstige von einem Beschluss betroffene Personen gilt besonderes Augenmerk auf die Umstände einer Beschlussfassung des Betriebsrats zu legen. Die Beschlussfassung des Betriebsrats unterliegt grundsätzlich der arbeitsgerichtlichen Überprüfung. Sollten Zweifel an der Wirksamkeit der Beschlussfassung bestehen, kann beim zuständigen Arbeitsgericht ein entsprechendes Beschlussverfahren eingeleitet werden.