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Erhaltungsmaßnahmen und Notfallplan im Arbeitskampf – existenzielle Rege-lungsbedürfnisse für den Arbeitgeber

 

Das Grundgesetz gewährt den Tarifvertragsparteien die sogenannte Tarifautonomie. Diese ist mit dem Recht zum Arbeitskampf verknüpft. Maßgeblich ist hier Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz.

Führen Tarifverhandlungen nicht zum Erfolg, steht es insbesondere den verhandelnden Gewerkschaften frei, ihre Tarifforderungen durch Androhung und Durchführung von Arbeitskampf zu untermauern. Vorrangiges Arbeitskampfmittel der Gewerkschaft ist die Arbeitsniederlegung (Streik).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird das Arbeitskampfrecht vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprägt. Es gilt das Verbot des ruinösen Arbeitskampfes. Hieraus folgt, dass die sächlichen Voraussetzungen des Betriebs für die von vornherein beabsichtigte Fortführung und Fortsetzung der Arbeit nach Streikende gesichert werden müssen. Nach nahezu einhelliger Auffassung dürfen Anlagen, Rohstoffe und Produkte, also die Substanz der sächlichen Betriebsmittel, auch im Rahmen eines Arbeitskampfes nicht zerstört werden, sodass die Arbeit nach Beendigung des Streikes an der Stelle wieder aufgenommen werden kann, an der sie bei Beginn des Streiks unterbrochen worden ist. Deshalb müssen die zur Erhaltung der Substanz des Betriebs erforderlichen Arbeiten trotz des Arbeitskampfes durchgeführt werden.

 

1. Notstands- und Erhaltungsarbeiten

Die Notwendigkeit der Durchführung von Notstands- und Erhaltungsarbeiten während eines Arbeitskampfes ist unbestritten. Unter Erhaltungsarbeiten sind Arbeiten zu verstehen, die erforderlich sind, um das Unbrauchbarwerden der sächlichen Betriebsmittel zu verhindern. Notstandsarbeiten hingegen sind die Arbeiten, die die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Diensten und Gütern während eines Arbeitskampfes sicherstellen sollen (BAG, Urteil vom 31.01.1995, Az.: 1 AZR 142/94).

 

2. Auswahl der zum Notdienst/zu Erhaltungsarbeiten heranzuziehenden Arbeitnehmer

Hochumstritten ist die Frage, wer die zur Durchführung von Notdienst-/Erhaltungsarbeiten heranzuziehenden Arbeitnehmer auswählen und damit aus einem etwaigen Arbeitskampf herausnehmen darf. Zum Teil wird vertreten, dass der Arbeitgeber selbst Träger der Erhaltungsarbeiten ist und er danach die Befugnis hat, die insoweit erforderlichen Mitarbeiter auszuwählen. Nach anderer Auffassung ist die Gewerkschaft Trägerin von Notdienst- und Erhaltungsarbeiten, sodass ihr die Bestimmung der Arbeitnehmer für solche Arbeiten obliegt. Des Weiteren wird vertreten, dass sich die Tarifvertragsparteien auf den Kreis der für erforderliche Arbeiten hinzuzuziehenden Arbeitnehmer verständigen müssen, insoweit aber eine „Notkompetenz“ des Arbeitgebers besteht.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich zu dieser Frage bisher nicht positioniert, diese vielmehr offen gelassen.

In der Praxis streben die Parteien vor Tarifverhandlungen und Arbeitskampf eine Verständigung über den Umfang von Not-/Erhaltungsarbeiten sowie über den Kreis der dazu heranzuziehenden Arbeitnehmer an. Häufig stimmen die Vorstellungen der Gewerkschaft aber nicht mit denjenigen der Arbeitgeberseite überein, in dem z. B. gewerkschaftsseitig nur ein geringer Arbeitnehmerbestand zur Erhaltung der Produktion zur Verfügung gestellt werden soll. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber den Versuch unternehmen, selbst den Umfang der erforderlichen Notdienst-/Erhaltungsarbeiten festzulegen und die benötigten Arbeitnehmer zur Arbeit anzuweisen. Fraglich ist allerdings, ob die Arbeitnehmer diese Anweisung befolgen, wenn gleichzeitig ein weitgehender Arbeitskampfaufruf der Gewerkschaft erfolgt ist.

Hier empfiehlt es sich in erster Linie, die Gewerkschaft aufzufordern, eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern auf festgelegten Arbeitsplätzen von einem Arbeitskampfaufruf auszunehmen.

 

3. Gerichtliche Durchsetzung

Kommen Vereinbarungen über Not-/Erhaltungsarbeiten nicht zustande und erfolgt seitens der Gewerkschaft ein umfassender Arbeitskampfaufruf, bleibt dem Arbeitgeber/Unternehmen keine andere Wahl, als das Arbeitsgericht zu bemühen. Wegen einer einstweiligen Verfügung ist darauf hinzuwirken, dass der Aufruf zum Streik eingeschränkt wird und betriebsnotwendige Arbeitnehmer ausgenommen werden.

Die besondere Schwierigkeit in einer Tarifauseinandersetzung besteht darin, dass Arbeitskampfmaßnahmen regelmäßig nicht mit längerem Vorlauf angekündigt werden und sich häufig als Überraschung für das Unternehmen darstellen. Hier ist ein schnelles und fundiertes Handeln in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation erforderlich.

Das Arbeitskampfrecht ist als Spezialmaterie zu begreifen, die hohen Sachverstand erfordert. Schnelles und richtiges Handeln sind dabei existenznotwendig.

Über entsprechende Erfahrungen verfügen wir. Wir unterstützen Sie gerne.