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Krankheit und Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – klarstellende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Verpflichtung der Vorlage eines ärztlichen Attests

Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit stellt eine Störung des Arbeitsverhältnisses dar. Der Arbeitnehmer ist (vorübergehend) gehindert, seine vertragliche Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung zu erfüllen.

Grundsätzlich gilt im Arbeitsverhältnis die Regel „ohne Arbeit kein Lohn“. Erfolgt keine Arbeitsleistung, entfällt grundsätzlich auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Arbeitsvergütung als Gegenleistung für die Arbeit (§§ 320, 326 Abs. 1 BGB). Dieses Prinzip wird im Arbeitsverhältnis mehrfach durchbrochen, unter anderem im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Hier statuiert § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), dass der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und ohne Verschulden einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zur Dauer von 6 Wochen hat. Im Ergebnis ist der Arbeitgeber also in einem solchen Fall verpflichtet, Vergütung ohne Arbeitsleistung zu zahlen.

Der Arbeitgeber hat typischerweise keine eigenen Kenntnisse über eine tatsächlich eingetretene krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Im Übrigen droht stets die missbräuchliche Inanspruchnahme der Entgeltfortzahlungsregelungen gemäß § 3 Abs. 1 EFZG. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat der Arbeitnehmer Anzeige- und Nachweispflichten und der Arbeitgeber entsprechende Auskunftsrechte gegenüber dem Arbeitnehmer.

 

1. Anzeigepflicht

§ 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG verpflichtet den Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber

– die Arbeitsunfähigkeit

und

– deren voraussichtliche Dauer

unverzüglich mitzuteilen.

Diese Anzeigepflicht gilt für alle Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber soll frühestmöglich über den Umstand informiert werden, dass der Arbeitnehmer zeitweilig nicht zur Verfügung stehen wird. Nur so ist der Arbeitgeber in die Lage versetzt, die notwendigen Personalplanungen vorzunehmen und organisatorische Entscheidungen zu treffen.

Der Arbeitnehmer hat dabei „unverzüglich“ zu handeln. „Unverzüglich“ meint „ohne schuldhaftes Zögern“ (§ 121 Satz 1 BGB). Im Ergebnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit und deren Dauer so schnell mitteilen, wie ihm dies möglich ist. Die Anzeige der Erkrankung hat daher grundsätzlich am ersten Tag der Erkrankung und nach Möglichkeit vor Arbeitsbeginn bzw. in den ersten Arbeitsstunden zu erfolgen. Die Mitteilung kann mündlich/telefonisch und unter Zuhilfenahme sonstiger geeigneter Kommunikationswege (Telefax, E-Mail, SMS) erfolgen. Unter Umständen ist der Arbeitnehmer auch gehalten, Angehörige oder Arbeitskollegen in die Übermittlung einzuschalten, um sicherzustellen, dass der Arbeitgeber schnellstmöglich unterrichtet wird.

Häufig hat der Arbeitnehmer bei der Feststellung von Krankheitssymptomen zunächst noch keine Kenntnis darüber, wie lange die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich andauern wird. Regelmäßig ist er hier auf ärztliche Prognosen angewiesen.

In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber schnellstmöglich darüber zu unterrichten, dass er von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausgeht und er den Arzt wegen weiterer Untersuchungen aufsuchen wird. Nach dem Arztbesuch ist der Arbeitgeber dann sofort über die ärztlich angenommene Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu unterrichten, auch wenn ärztlicherseits lediglich die voraussichtliche Dauer der Erkrankung ermittelt werden konnte.

Verzögert sich die Genesung und ist der Arbeitnehmer über den zunächst angenommenen Zeitraum hinaus weiterhin erkrankt, hat er diesen Umstand ebenfalls schnellstmöglich gegenüber dem Arbeitgeber offen zu legen.

 

2. Nachweispflicht

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage, hat der Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen.

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung („Gelber Schein“) wird vom behandelnden Arzt erstellt. Sie weist das Datum der Untersuchung sowie die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit aus.

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung/das ärztliche Attest ist spätestens am 4. Tag der Erkrankung beim Arbeitgeber vorzulegen.

Bei Erkrankungen bis zur Dauer von 3 Tagen besteht grundsätzlich keine Nachweispflicht. Der Arbeitgeber kann aber gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung auch früher verlangen, so z. B. auch schon bei einer Erkrankung von nur einem Tag!

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer neuen Entscheidung geurteilt, dass es im freien Ermessen des Arbeitgebers steht, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zu 3 Tagen zu verlangen. Das Gericht erteilte damit der Auffassung einer Klägerin eine Absage, der Arbeitgeber müsse für ein frühes Verlangen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besondere Gründe haben und diese auch offenlegen (BAG, Urteil vom 14.11.2012, Az.: 5 AZR 886/11).

Achtung:

Zwar entbindet das BAG den Arbeitgeber von einer etwaigen Pflicht, vor der Einforderung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei sehr kurzen Erkrankungen eine Interessenabwägung vorzunehmen und/oder den Vorlagewunsch zu begründen. Die entsprechende Anweisung ist aber dennoch unwirksam, wenn sie willkürlich nur von einem engen Kreis von Arbeitnehmern verlangt würde!

Der arbeitgeberseitige Wunsch zur sofortigen Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt darüber hinaus auch nur dann zum Tragen, wenn dies dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Erkrankung auch bekannt ist. Sollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei einer Erkrankung von bis zu 3 Tagen erst im Nachhinein auffordern, ginge diese Aufforderung ins Leere. Allerdings ist es möglich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für zukünftige Krankheitsfälle auffordert, sogleich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der ärztlichen Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen (§ 5 Abs. 1 Satz 4 EFZG).

 

3. Besonderheiten bei Erkrankung im Ausland

Sonderregelungen für den Eintritt einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Ausland enthält § 5 Abs. 2 EFZG.

Der Arbeitnehmer ist in diesem Fall verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitzuteilen. Die durch die Mitteilung entstehenden Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen. Darüber hinaus ist der Arbeitnehmer, wenn er Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, verpflichtet, auch dieser die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als angezeigt, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet, der gesetzlichen Krankenkasse die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen. Nach Rückkehr in das Inland hat der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer dem Arbeitgeber und der Krankenkasse unverzüglich seine Rückkehr anzuzeigen.

 

4. Rechtsfolgen der Missachtung von Anzeige- und Nachweispflichten

Kommt der Arbeitnehmer seinen sich aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz ergebenden Anzeige- und Nachweispflichten sowie den entsprechenden Anordnungen des Arbeitgebers nicht nach, handelt er pflichtwidrig. Derlei Pflichtwidrigkeiten können Anknüpfungspunkt für eine Abmahnung sein. Im Wiederholungsfalle kommt der Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht.

 

Derlei Maßnahmen sind aber mit Bedacht zu wählen. Stets sollte im Einzelfall zuvor eine rechtliche Überprüfung erfolgen. Dabei unterstützen wir sie gerne.