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Öffentliches Dienstrecht: Stellenbesetzungsverfahren, Bewerberverfahrensanspruch und Konkurrentenverfahren – Wann darf ein Auswahlverfahren abgebrochen werden?
1. Stellenausschreibung im öffentlichen Dienst
Einer Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst geht vielfach eine Stellenausschreibung voraus. Dies betrifft sowohl die Ausschreibung von Beamtenstellen als auch solche für Angestellte.
Entscheidet sich der öffentliche Arbeitgeber/Dienstherr für eine Stellenausschreibung, legt er sich auf ein Auswahlverfahren fest, welches unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) durchzuführen ist.
Art. 33 Abs. 2 GG lautet wie folgt:
„Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“
Das Grundgesetz verpflichtet den öffentlichen Arbeitgeber, sich bei der Auswahlentscheidung in einem Stellenbesetzungsverfahren vom Grundsatz der Bestenauslese leiten zu lassen. Art. 33 Abs. 2 GG dient dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlich Dienstes. Nach Auffassung der Rechtsprechung sollen fachliches Niveau und rechtliche Integrität des öffentlichen Dienstes gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden.
2. Bewerberverfahrensanspruch
Gleichzeitig vermittele Art. 33 Abs. 2 GG Bewerbern auch ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Jeder Bewerber um das Amt habe einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus solchen Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (BVerwG, Urteil vom 04.11.2010, Az. 2 C 16.09). Insoweit wird vom „Bewerberverfahrensanspruch“ gesprochen.
Nach der Rechtsprechung ist der Bewerberverfahrensanspruch auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren für die Vergabe eines bestimmten Amtes/einer bestimmten Stelle gerichtet. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) folge aus dieser Verfahrensabhängigkeit, dass der Bewerberverfahrensanspruch erlösche, wenn das Stellenbesetzungsverfahren beendet wird (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012, Az. 2 C 6.11).
Der Bewerberverfahrensanspruch lässt sich mittels einer so genannten „einstweiligen Anordnung“ gemäß § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO sichern. Der in einem Auswahlverfahren abgelehnte Bewerber muss, um seine Rechtsposition in dem Auswahlverfahren zu sichern, vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht in Anspruch nehmen. Dabei kann er das Ziel verfolgen, die Stelle bis zu einer Entscheidung über seine Bewerbungsverfahrensanspruch freihalten zu lassen. So kann verhindert werden, dass durch die Ernennung eines anderweitig ausgewählten Konkurrenten vollendete Tatsachen geschaffen werden. Nimmt der in einem Auswahlverfahren unterlegene Bewerber keinen einstweiligen Rechtsschutz für sich in Anspruch und besetzt der öffentliche Arbeitgeber/Dienstherr die ausgeschriebene Stelle anderweitig, geht der Bewerberverfahrensanspruch des unterlegenen Bewerbers abschließend unter, weil die endgültige Besetzung der ausgeschriebenen Stelle grundsätzlich nicht mehr rückgängig gemacht werden darf (BVerwG, Urteil vom 21.08.2003, Az. 2 C 14.02).
3. Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens aus sachlichem Grund
Eine den Bewerberverfahrensanspruch beseitigende Beendigung des Stellenbesetzungsverfahrens kann dadurch herbeigeführt werden, dass dieses ohne Ergebnis, d.h. ohne Ernennung eines Bewerbers, abgebrochen wird.
Nach allgemeiner Auffassung steht es dem öffentlichen Arbeitgeber/Dienstherrn aber nicht frei, das Stellenbesetzungsverfahren gleichsam nach Belieben abzubrechen. Hierfür bedarf es vielmehr eines sachlichen Grundes. Hier gelten folgende Regeln:
a) Verfahrensabbruch im Rahmen der Organisationsgewalt des Arbeitgebers/Dienstherrn
Der Abbruch kann zunächst aus der Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des Dienstherrn gerechtfertigt sein. Danach hat der Dienstherr darüber zu entscheiden, ob und wann er welche Statusämter zur Besetzung bereithält (BVerwG, Urteil vom 13.12.2012, Az. 2 C 11/11). So kann der Dienstherr etwa das Verfahren abbrechen, weil er die Stelle, die dem erfolgreichen Bewerber übertragen werden sollte, nicht mehr besetzen will. Ebenso soll es einen sachlichen, dem Organisationsermessen zugehörigen Grund für einen Abbruch darstellen, wenn sich der Dienstherr entschlossen habe, die Stelle neu zuzuschneiden (OVG Bremen, Beschluss vom 04.05.2011, Az. 2 B 71/11).
b) Verfahrensabbruch aus Gründen des Art. 33 Abs. 2 GG
Zum anderen ist der öffentliche Arbeitgeber/Dienstherr berechtigt, ein Stellenbesetzungsverfahren aus Gründen abzubrechen, die aus Art. 33 Abs. 2 GG hergeleitet werden. So kann er aufgrund seines Beurteilungsspielraums bei der Bewerberauswahl das Verfahren abbrechen, wenn kein Bewerber seinen Erwartungen entspricht oder das Verfahren womöglich nicht (mehr) zu einer rechtsfehlerfreien Auswahlentscheidung führen kann (BVerwG, Urteil vom 26.01.2012, Az. 2 A/09). Nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts könne er das Verfahren aber auch dann abbrechen, weil er erkannt hat, dass das Stellenbesetzungsverfahren fehlerbehaftet ist. Ein solcher Abbruch stehe ebenfalls im Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.2011, Az. 2 BvR 1181/11). Der Abbruch soll dann sicherstellen, dass die Bewerbungsverfahrensansprüche der Bewerber in einem weiteren, neuen Verfahren gewahrt werden.
Ein sachlicher Grund liegt beispielsweise auch dann vor, wenn sich der Dienstherr entschließt, einen breiteren Interessentenkreis mit dem Ziel der bestmöglichen Besetzung einer (Beförderungs-) Stelle anzusprechen, weil er den einzigen Bewerber nicht uneingeschränkt für geeignet hält (BVerwG, Urteil vom 22.07.1999, Az. 2 C 14/98) oder wenn seit der ersten Ausschreibung ein erheblicher Zeitraum verstricken ist und der Dienstherr den Bewerberkreis aktualisieren und vergrößern will (OVG Lüneburg, Beschluss vom 14.09.2006, Az. 5 ME 219/06) oder wenn der Dienstherr aufgrund der während des Auswahlverfahrens gewonnenen Erkenntnisse funktionsspezifische Differenzierungen des Anforderungsprofils vornimmt, um den Bewerberkreis sachbezogen einzugrenzen (OVG Münster, Beschluss vom 15.01.2003, Az. 1 B 2230/02).
Ferner sind weitere Fallgestaltungen für den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens denkbar, so z.B. bei Inkrafttreten neuer ermessensbindender Richtlinien (VGH, Beschluss vom 01.02.2012, Az. 3 CE 11.2725) oder bei Änderung der Funktionsstruktur (VGH, Beschluss vom 24.10.2012, Az. 3 CE 12.1645).
Im Fall von Stellenausschreibungen für Hochschullehrer ist beispielsweise anerkannt, dass es sich bei einer beabsichtigten Neuausrichtung, welche unter anderem auch eine andere Besoldung der Stelle nach sich zieht, um einen sachlichen Grund zum Stellenabbruch handelt (OVG Bremen, Beschluss vom 04.05.2011, Az. 2 B 71/11).
4. Nicht zu berücksichtigende „unsachliche“ Gründe
Demgegenüber sind insbesondere solche Gründe unsachlich, die das Ziel verfolgen, einen unerwünschten Kandidaten aus leistungsfremden Erwägungen von der weiteren Auswahl für die Stelle auszuschließen oder einen bestimmten Bewerber bei der späteren Auswahlentscheidung zu bevorzugen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.06.2013, Az. 1 M 55/13).
So kommt es nicht in Betracht ein Stellenbesetzungsverfahren abzubrechen, wenn die ausgeschriebene Stelle von vorn herein schon ohne jegliche Auswahlentscheidung einem bestimmten, ins Auge gefassten Kandidaten zugedacht war, dieser dann aber seine Bewerbung wieder zurückzieht. Auch ist es nicht statthaft ein Bewerberverfahren abzubrechen, wenn der schon „vorausgewählte“ Wunschkandidat tatsächlich nicht die in der Ausschreibung benannten (Qualifikations-) Voraussetzungen erfüllt.
5. Rechtsschutz gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens
Eine Entscheidung des öffentlichen Arbeitgebers/Dienstherrn zum Abbruch des Auswahlverfahrens bedarf der schriftlichen Dokumentation (BVerfG, Beschluss vom 28.11.2011, Az. 2 BvR 1181/11). Die betroffenen Bewerber sind rechtzeitig und in geeigneter Form über den Abbruch des Verfahrens zu unterrichten. Dadurch sollen die Bewerber in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob sie den Rechtsweg beschreiten möchten.
Die Entscheidung zum Abbruch des Verfahrens ist gerichtlich überprüfbar. Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts ist der mögliche Rechtsschutz zeitlich befristet. Dem Bewerber steht nur eine Rechtsschutzfrist von einem Monat zur Verfügung (BAG, Urteil vom 12.12.2017, Az. 9 AZR 152/17, BVerwG, Urteil vom 03.12.2014, Az. 2 A 3.13).
6. Praxishinweis für öffentliche Arbeitgeber bzw. Bewerber
Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes bzw. Dienstherr hat in Stellenbesetzungsverfahren besondere Sorgfalt walten zu lassen. Von vornherein sollten Stellenausschreibungen so abgefasst werden, dass diese möglichst wenig Anlass zu nachträglicher Diskussion liefern. Auch die Möglichkeit eines Verfahrensabbruchs ist zunächst sorgfältig zu prüfen.
Auch hat der öffentliche Arbeitgeber formelle Vorgaben zu berücksichtigen. So müssen die Bewerber von einem etwaigen Abbruch des Auswahlverfahrens rechtzeitig und in geeigneter Form in Kenntnis gesetzt werden (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.06.2013, 1 M 55/13). Darüber hinaus muss der Dienstherr unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er das Stellenbesetzungsverfahren ohne Stellenbesetzung endgültig beenden will. Der für den Abbruch maßgebliche Grund muss, sofern er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich dokumentiert werden (BVerwG, Beschluss vom 28.11.2011, Az. 2 BvR 1181/11).
Bewerber für eine ausgeschriebene Stelle haben das Bewerbungsverfahren wachsam im Auge zu behalten. Spätestens ab dem Zeitpunkt der Mitteilung, dass ein anderer Bewerber ausgewählt wurde, ist ein Handeln erforderlich. Gegebenenfalls muss dann sofort das Verwaltungsgericht angerufen werden. Sollte der Bewerber die anderweitige Besetzung der Stelle abwarten, ginge sein Bewerberverfahrensanspruch unter.
Auch gegen einen aus Sicht des Bewerbers unsachlichen Verfahrensanspruch müsste er sich rechtzeitig zur Wehr setzen.
Wir unterstützen Sie in diesen Fragestellungen gerne.
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