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Prüfpflicht des Arbeitgebers bei der Neubesetzung freier Arbeitsplätze – Möglichkeit der Besetzung mit schwerbehinderten Menschen
Möchte der Arbeitgeber einen freien Arbeitsplatz neu besetzen, ohne auf bereits vorhandenes Personal zurückzugreifen, hat er bereits bei der Stellenausschreibung Vorsicht walten zu lassen. Es ist mittlerweile nahezu Allgemeingut, dass Arbeitsplätze grundsätzlich geschlechtsneutral auszuschreiben sind.
Weit weniger bekannt ist aber, dass der Gesetzgeber für den Arbeitgeber eine besondere Prüfpflicht vor der Neubesetzung eines freien Arbeitsplatzes statuiert hat, deren Verletzung schwerwiegende Nachteile für den Arbeitgeber mit sich bringen kann:
1. Prüfpflicht zur Besetzung freier Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen
Nach § 81 Abs. 1 SGB IX sind Arbeitgeber verpflichtet zur prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Arbeitgeber haben frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen, um auch Arbeitslose oder arbeitssuchend gemeldete schwerbehinderte Menschen zu berücksichtigen (§ 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).
Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass diese gesetzlichen Pflichten nicht nur Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes betreffen. Auch der privatrechtlich tätige Arbeitgeber ist an diese Prüfpflichten gebunden! Die Prüfpflicht zur Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier Stellen besteht immer und für alle Arbeitgeber und unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Mensch beworben hat oder bei seiner Bewerbung auf diesen Status als schwerbehinderter Mensch hingewiesen hat.
Der Arbeitgeber ist daher stets verpflichtet, der Agentur für Arbeit den freien und neu zu besetzenden Arbeitsplatz zu melden. Umgeht der Arbeitgeber diese Pflicht und versucht er, die freie Stelle allein über den freien Arbeitsmarkt oder über gewerbliche Arbeitsvermittler zu besetzen, verstößt er gegen seine Pflichten aus § 81 Abs. 1 SGB IX.
2. Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung
§ 94 Abs. 1 SGB IX sieht die Wahl einer besonderen Schwerbehindertenvertretung in Betrieben und Dienststellen vor, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind. Entsprechende Regelungen gelten auch für Gerichte und Staatsanwaltschaften.
Die Schwerbehindertenvertretung hat die Aufgabe, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle zu fördern, die Interessen der Schwerbehinderten in dem Betrieb oder der Dienststelle zu vertreten und ihnen beratend und helfend zur Seite zu stehen.
Der Schwerbehindertenvertretung steht das Recht zu, an den Vorstellungsgesprächen zur Besetzung freier Arbeitsplätze teilzunehmen, sofern sich ein schwerbehinderter Mensch beworben hat. Dabei ist der Schwerbehindertenvertretung auch Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile aller Bewerbungsunterlagen zu gewähren.
3. Folgen der Verletzung von Prüf-/Beteiligungspflichten durch den Arbeitgeber
Bewirbt sich ein schwerbehinderter Arbeitnehmer auf einen freien und neu zu besetzenden Arbeitsplatz und wird er vom Arbeitgeber abgelehnt/nicht berücksichtigt, drohen bei Verletzung von Prüfpflicht und Pflicht zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung Ansprüche auf Entschädigungszahlung. Ein abgelehnter schwerbehinderter Bewerber kann sich nämlich nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts darauf berufen, dass die Verletzung der vorstehenden Pflichten seine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lasse. Die bloße Missachtung der benannten Pflichten beinhaltet ein ausreichendes Indiz für die behinderungsbezogene Benachteiligung im Sinne von § 22 AGG. Bei Annahme eines solchen Benachteiligungsindizes kann der abgelehnte Bewerber einen Entschädigungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machen. Der Arbeitgeber ist im Rahmen einer solchen Geltendmachung verpflichtet, das Nichtvorliegen einer Benachteiligung wegen einer Behinderung zu beweisen (BAG, Urteil vom 13.10.2011, Az.: 8 AZR 608/10).
Dieser Beweis wird dem Arbeitgeber häufig nicht gelingen.
Vorstehender Aspekt macht ein weiteres Mal deutlich, dass bei der Ausschreibung und Besetzung freier Arbeitsplätze durch den Arbeitgeber besondere Sorgfalt erforderlich ist. Vergleichsweise kleine Fehler können zu erheblichen finanziellen Einbußen führen. Daher empfiehlt sich hier rechtzeitige Inanspruchnahme arbeitsrechtlicher Beratung.
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