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Wenn sich die SOKA-BAU meldet: Prüf- und Handlungsempfehlung für Arbeitgeber

Für viele Unternehmen ergeben sich nicht unerhebliche Überraschungen, wenn unerwartet ein Schreiben der „SOKA-BAU“ eingeht. Bei der SOKA-BAU handelt es sich um eine tarifvertragliche Einrichtung des Baugewerbes. Unter der Bezeichnung „SOKA-BAU“ sind zum einen die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK), zum anderen die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG (ZVK) zusammengefasst. Diese Einrichtungen haben ihren Sitz in Wiesbaden. Die Einrichtungen betreuen das tarifvertragliche Sozialkassenverfahren des Baugewerbes. Hier finden Sie zu dieser Thematik weitergehende Informationen.

 

Die SOKA-BAU stellt in an Unternehmen gerichteten Schreiben typischerweise heraus, dass nach ihrer Auffassung ein Baubetrieb unterhalten werde. Insoweit verweist sie regelmäßig darauf, dass unter Zugrundelegung der Regelungen des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) Auskunftspflichten zu Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitsvergütungen bestehen. Wird auf ein solches Schreiben nicht sofort vom angeschriebenen Unternehmen geantwortet, folgen regelmäßig Erinnerungen, diese üblicherweise mit der Androhung arbeitsgerichtlicher Verfahren verbunden.

Sobald ein solches Schreiben im Unternehmen eingeht, erscheint eine Prüfung des Sachverhalts und die Entwicklung von Antwortstrategien als zwingend erforderlich. Ein „Aussitzen“ solcher Schreiben empfiehlt sich nicht. Vielfach folgt dann als nächstes der Eingang einer Klageschrift sowie einer Mitteilung des von der SOKA-BAU angerufenen Arbeitsgerichts.

Im Kern einer Überprüfung steht die Frage, ob die SOKA-BAU für den vom Unternehmen unterhaltenen Betrieb überhaupt zuständig ist. Hier ist Folgendes zu berücksichtigen:

 

1. Bestehen eines „Baubetriebs“?

Das Sozialkassenverfahren des Baugewerbes nach dem VTV bezieht sich auf Betriebe des Baugewerbes. Unter einem Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 VTV/§ 1 Abs. 2 BRTV-Bau ist nach Auffassung der Rechtsprechung die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen (so BAG, Urteil vom 03.12.2003, Az. 10 AZR 107/03 sowie BAG, Urteil vom 14.12.2005, Az. 10 AZR 180/05).

 

a) „Befriedigung von Eigenbedarf“

Zunächst ist das Merkmal „nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen“ zu betrachten. Dieses bringt zum Ausdruck, dass das Sozialkassenverfahren des Baugewerbes dann nicht zur Anwendung gelangt, wenn zur Eigennutzung gebaut wird, so z.B. bei der Errichtung eines Eigenheims. Werden Gebäude errichtet, um diese dann zu verkaufen oder weiter zu vermieten, liegt keine Befriedigung von Eigenbedarf vor (BAG, Urteil vom 14.12.2005, Az. 10 AZR 180/05).

 

b) überwiegend baugewerbliche Tätigkeit

Der Geltungsbereich des Bautarifrechts ist jedoch nur dann eröffnet, wenn Arbeitnehmer des Betriebes arbeitszeitlich überwiegend, vom betrieblichen Geltungsbereich erfasst Tätigkeiten wie Maurer-, Putz-, Trocken-, Montagebau-, Zimmer-, Fliesenverlege- und Pflasterarbeiten ausführen. Hingegen fallen Dachdeckerarbeiten, Tätigkeiten des Verlegens von Parkett oder das Entrümpeln von Häuser nicht unter den Geltungsbereich der baugewerblichen Tarifverträge.

Ob bauliche Leistungen überwiegend erbracht werden, bemisst sich nach der Rechtsprechung danach, ob die überwiegende betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige bauliche Tätigkeiten entfällt. Nicht maßgeblich sind dagegen wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder handels- oder gewerberechtliche Kriterien.

Ob die überwiegende Arbeitszeit auf bauliche oder nicht bauliche Leistungen entfällt, ist nach der Arbeitszeit innerhalb eines Kalenderjahres zu beurteilen, soweit sich die Tätigkeit des Betriebes über ein Kalenderjahr erstrecken. Werden baugewerbliche Tätigkeiten erbracht, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten ebenfalls zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen (BAG, Urteil vom 17.11.2010, Az. 10 AZR 845/09).

Nach der Rechtsprechung des BAG zur Beantwortung der Frage, ob vom Betrieb überwiegend bauliche Leistungen erbracht werden, ist die Arbeitszeit des Betriebsinhabers grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Diese Sicht wird damit gerechtfertigt, dass durch die Bautarifverträge Arbeitsverhältnisse geregelt werden sollen und es eine am Normzweck orientierte Auslegung gebiete, dass von den Tarifvertragsparteien geforderte überwiegend baulicher Leistungen an der überwiegenden Arbeitszeit der Arbeitnehmer festzumachen. Etwas anderes gelte der Rechtsprechung nach jedoch dann, wenn es sich bei den von den oder dem Arbeitnehmer erbrachten Tätigkeiten um so genannte Zusammenhangstätigkeiten handelt, d.h. um Tätigkeiten, die den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes lediglich unterstützen und fördern. In einem solchen Fall sind auch etwaige bauliche Leistungen des Betriebsinhabers selbst mit einzubeziehen, weil der arbeitstechnische Zweck von Hilfs- und Nebentätigkeiten durch die Haupttätigkeit bestimmt wird (Hessisches LAG, Urteil vom 01.09.2008, Az. 16 Sa 591/08; BAG, Urteil vom 18.05.2011, Az. 10 AZR 190/10).

Vielfach finden sich Betriebe, in denen „sowohl- als auch-Tätigkeiten“, d.h. bau- und nicht baugewerbliche Tätigkeiten durchgeführt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessarbeitsgerichts ist ein solcher Betrieb dann vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV/BRTV Bau ausgenommen, wenn daneben in nicht unerheblichem Umfang (mindestens zu 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit) Arbeiten ausgeführt bzw. von Fachkräften des ausgenommenen Handwerks wahrgenommen oder beaufsichtigt werden, die für dieses Handwerk typisch sind und die insgesamt dem Handwerk zuzuordnenden Tätigkeiten mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit in Anspruch nehmen. (BAG, Urteil vom 16.05.2001, Az. 10 AZR 438/00).

 

c) gewerbliche Tätigkeit

Die Führung eines Baubetriebs führt allerdings nur dann zur Anwendung der Bautarifverträge, wenn die baulichen Leistungen gewerblich erbracht werden.

Damit bringen die Tarifvertragsparteien deutlich zum Ausdruck, dass der betriebliche Geltungsbereich nicht alle Betriebe erfassen soll, in denen bezogen auf die Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer überwiegend Bauarbeiten verrichtet werden. Unter den betrieblichen Geltungsbereich sollen nur solche Betriebe fallen, die terminologisch dem Baugewerbe zuzurechnen sind (BAG, Urteil vom 20.04.1988, Az. 4 AZR 646/87; BAG, Urteil vom 28.07.2004, Az. 10 AZR 580/03). Von gewerblicher Tätigkeit ist dann auszugehen, wenn diese von Gewinnerzielungsabsicht geprägt ist. Ob Zweck einer Tätigkeit eine nachhaltige Gewinnerzielung ist und die Tätigkeit damit in Erwerbsabsicht ausgeübt wird, ist unter Beachtung der jeweiligen subjektiven Absichten und Motivationen des Betreibers festzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei z.B. die Errichtung von Gebäuden, der die Instandsetzung gleichzustellen sei, zum Zwecke der Vermietung und Verpachtung durch den Eigentümer grundsätzlich keine gewerbliche Tätigkeit des Vermieters, sondern eine Art der Nutzung des Eigentums am Grundstück. Sie diene gewöhnlich nicht der Absicht, sich aus der Vermietung eine berufsmäßige Erwerbsquelle zu verschaffen, sondern der Kapitalanlage (BAG, Urteil vom 11.03.1998, Az. 10 AZR 220/97). Eine Ausnahme solle allerdings bestehen, wenn die Verwaltung des Bauwerkes eine besonders umfangreiche, berufsmäßige Tätigkeit erfordere, so dass nach dem Gesamtbild der zu beurteilenden Tätigkeit auch die zur Schaffung dieser Erwerbsquelle notwendigen baulichen Leistungen als gewerblich einzustufen seien.

 

2. Darlegungs- und Beweislast in einem gerichtlichen Verfahren

Von besonderer Bedeutung für Arbeitgeber ist, dass grundsätzlich die SOKA-BAU darzulegen und zu beweisen hat, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden!

Der Sachvortrag der SOKA-BAU ist allenfalls dann schlüssig, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die den Schluss zulassen, ein Betrieb werde vom betrieblichen Geltungsbereich erfasst. Dazu gehört neben der Darlegung von Arbeiten, die sich § 1 Abs. 2 VTV/BRTV Bau zuordnen lassen, auch die Darlegung, dass diese Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen. Es ist nicht erforderlich, dass jede Einzelheit der behaupteten Tätigkeiten vorgetragen wird, so die Auffassung der Rechtsprechung. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat geurteilt, die SOKA-BAU könne dann, wenn Anhaltspunkte für einen Baubetrieb vorliegen, auch nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Tarifvertragsparteien regelmäßig keine näheren Einblicke in die betrieblichen Arbeitsabläufe hätten und ihnen daher etwaige Darlegungen erschwert seien. Unzulässig sei es aber, ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „ins Blaue hinein“ aufzustellen (Hessisches LAG, Urteil vom 02.10.2013, 18 Sa 230/13)

Liegt ein hinreichender Tatsachenvortrag der SOKA-BAU vor, hat sich der jeweilige beklagte Unternehmer hierzu nach § 138 Abs. 2 ZPO zu erklären. Regelmäßig obliegt ihm die Last des substantiierten Bestreitens. Dieses kann sich auf die Art und/oder den Umfang der verrichteten Arbeiten beziehen.

 

3. Strategisches Vorgehen

Sollten Sie Post von der SOKA-BAU erhalten, ist von weiterem Abwarten abzuraten. Es empfiehlt sich, eine Prüfung des Betriebscharakters unter Zugrundelegung der umfangreichen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte vorzunehmen. Vielfach liegen lediglich vordergründige Anhaltspunkte für das Bestehen eines Baubetriebs vor. Bei einer vertieften Überprüfung des Betriebszwecks und der erbrachten Arbeiten ergibt sich aber, dass überwiegend außerhalb der Bautarifverträge stehende Leistungen erbracht werden. Hier ist eine sorgfältige Bemessung der Arbeitsvolumina ebenso unabdingbar wie eine präzise Argumentation gegenüber der SOKA-BAU. So lassen sich zahlreiche gerichtliche Verfahren vermeiden oder zumindest zu einem positiven Ausgang bringen.

 

In dieser Thematik stehen wir Ihnen mit unserer arbeitsrechtlichen Expertise gerne beratend und unterstützend zur Seite.